Europa gegen Gianni Infantino: UEFA-Vertreter verlassen FIFA-Kongress vorzeitig

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Der FIFA-Kongress in Paraguays Hauptstadt Asunción wurde zu einem politischen Beben im Weltfußball und zu einer Machtdemonstration der europäischen Verbände. FIFA-Präsident Gianni Infantino erschien mit über drei Stunden Verspätung zu einer der wichtigsten jährlichen Veranstaltungen der Fußballwelt. Der Anlass seines Fernbleibens: eine Reise durch den Nahen Osten – begleitet von keinem Geringeren als US-Präsident Donald Trump. Eine Reise, die ihm nun zum Verhängnis werden könnte.

Was als diplomatischer Kraftakt mit potenziellen Vorteilen für die Weltmeisterschaften 2026 und 2034 inszeniert wurde, endete in einem handfesten Eklat. Noch während Hunderte Delegierte auf die verspätete Ankunft des Präsidenten warteten, brodelte es hinter den Kulissen. Nach dem Beginn des Kongresses – verlegt von ursprünglich 9:30 Uhr auf 12:30 Uhr Ortszeit – verließen zahlreiche Funktionäre europäischer Fußballverbände demonstrativ den Saal, darunter UEFA-Präsident Aleksander Ceferin und DFB-Chef Bernd Neuendorf. Ein symbolträchtiger Boykott, der für offene Risse im Machtgefüge des Weltverbandes steht.

Infantinos Verhalten ein Ausdruck „gigantischer Geltungssucht“

Gianni Infantino entschuldigte sich zwar und verwies auf „wichtige Gespräche mit führenden Politikern und Wirtschaftsvertretern“, die seine Reise erforderlich gemacht hätten. Doch die Erklärung klang angesichts der angespannten Stimmung eher wie ein Lippenbekenntnis. Das Timing seiner Nahost-Tour – inklusive eines Banketts mit Trump, Gesprächen in Saudi-Arabien und Katar sowie einem Zwischenstopp in Nigeria – ließ bei vielen Delegierten den Eindruck entstehen, dass politische Kontakte über die Interessen des Weltfußballs gestellt wurden. Die UEFA sprach gegenüber der „Sportschau“ von einem „zutiefst bedauerlichen“ Vorgehen, das „offenbar nur privaten politischen Interessen dient“. Die Delegierten aus Europa reisten „wie ursprünglich geplant“ ab, ein klarer Affront gegen den FIFA-Chef. Dass der Flughafen von Asunción nur wenige Minuten vom Tagungsort entfernt liegt, macht Infantinos Begründung für die Verspätung zusätzlich fragwürdig. Laut „The Times“ bezeichnete ein Teilnehmer das Verhalten des Schweizers als Ausdruck „gigantischer Geltungssucht“.

„Eine kurzfristige Änderung des Zeitplans, die scheinbar nur privaten politischen Interessen dient, tut dem Fußball keinen Gefallen und scheint seine Interessen zurückzustellen.“

Mitteilung der UEFA zur Verspätung Gianni Infantinos

Gianni Infantino, der sich zuletzt bei der WM-Vergabe für Saudi-Arabien und der Einführung einer milliardenschweren Klub-WM in den USA hervorgetan hatte, steht erneut in der Kritik, die FIFA zunehmend nach seinem eigenen politischen Geschmack zu formen. Seine Nähe zu autoritären Regimen und sein demonstrativer Schulterschluss mit Donald Trump bringen ihm nicht nur Vergleiche mit dem US-Präsidenten ein, sondern nähren den Verdacht, dass er zunehmend die Werte des europäischen Fußballs – Transparenz, Fairness, Demokratie – missachtet. FIFA-Generalsekretär Mattias Grafström versuchte zu beschwichtigen. Der Kongress sei „großartig“ gewesen, das Verhältnis zur UEFA sei „ausgezeichnet“. Doch die Realität sprach eine andere Sprache. Die Plätze der acht UEFA-Mitglieder im FIFA-Rat blieben in der zweiten Hälfte des Kongresses leer. Von offizieller FIFA-Seite kam keine Stellungnahme zum Boykott.

Fußball-Mächte kritisieren Selbst-inszenierung Gianni Infantinos

Während der Kongress mit Applaus über die Bühne ging und Infantino die finanziellen Erfolge der FIFA präsentierte (13 Milliarden Dollar Einnahmen im laufenden Zyklus bis 2026), blieb der Protest der europäischen Funktionäre unkommentiert. Es war ein stilles, aber deutliches Zeichen. Die alten Fußballmächte haben die ständige Selbstinszenierung Infantinos satt. Die Kritik reicht über den aktuellen Vorfall hinaus. Schon im Vorfeld hatte Infantino Pflichttermine geschwänzt, unter anderem eine Sitzung des FIFA-Rats, die kurzfristig digital abgehalten wurde. Auch das gemeinsame Bankett mit Paraguays Präsident Santiago Peña ließ er sausen, erneut zugunsten seiner Nahost-Reise.

FIFA-Präsidenten seit 1904

Norwegens Verbandschefin Lise Klaveness, seit Jahren eine der schärfsten Kritikerinnen Gianni Infantinos, forderte Transparenz und Respekt gegenüber den Mitgliedsverbänden. Der Eklat von Asunción ist somit mehr als nur ein organisatorisches Missgeschick. Er ist das Symptom eines tiefergehenden Zerwürfnisses. Zwischen einer FIFA, die sich unter Infantino immer mehr als global agierender Politakteur versteht, und europäischen Fußballinstitutionen, die sich zunehmend marginalisiert sehen. Ob Gianni Infantino den wachsenden Vertrauensverlust ausgleichen kann, wird sich zeigen. Doch dass seine Absenz und der demonstrative Abgang der UEFA als „Demütigung“ gilt, wie die „Times“ berichtet, dürfte den selbstbewussten Schweizer kaum kalt lassen.

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